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Grußwort des Kirchenpräsidenten, Herrn Dr. h.c. Christian Schad
Jubiläumsfeier am 3. September 2020 im Martin-Butzer-Haus in Bad Dürkheim
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich darf Sie alle heute hier, im Martin-Butzer-Haus in Bad Dürkheim, ganz herzlich willkommen heißen und freue mich, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind. Besonders begrüße ich alle gegenwärtigen und ehemaligen Mitarbeitenden der Gleichstellungsstelle und danke ihnen gleichzeitig für die Mitwirkung in unserer Andacht zur Eröffnung des Abends. Für den Landeskirchenrat heiße ich meine Stellvertreterin, Frau Oberkirchenrätin Marianne Wagner, herzlich willkommen. Stellvertretend für alle Mitglieder der Landessynode begrüße ich Herrn Synodalpräsidenten Hermann Lorenz. Es freut mich besonders, dass heute Abend viele aktive und ehemalige Mitglieder des Beirats für Gleichstellung unter uns sind. Schön, dass Sie sich nach Bad Dürkheim aufgemacht haben.
Als Vertreterin des Bistums Speyer heiße ich Frau Angelika Hirt als Mitglied des dortigen Gleichstellungsteams herzlich willkommen. Die enge Verbundenheit unserer Gleichstellungsstelle mit kommunalen Gleichstellungsstellen und Behörden kommt auch in der Anwesenheit von Frau Irmgard Münch-Weinmann zum Ausdruck, die ich in ihrer Funktion als Beigeordnete der Stadt Speyer stellvertretend für alle Kooperationspartner begrüße.
Gleichstellungsarbeit lebt auch vom Austausch mit den weiteren Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es ist uns eine große Freude und Ehre, liebe Frau Oberkirchenrätin Dr. Bergmann, dass Sie als Referentin für Chancengerechtigkeit der EKD aus Hannover in die Pfalz gekommen sind und uns heute einen Impulsvortrag halten werden.
Ein Vierteljahrhundert Gleichstellungsstelle in der Landeskirche:
Gut, dass wir sie haben. Schade, dass wir sie noch brauchen. Gleichstellungsarbeit in der Landeskirche ist ohne Gleichstellungsstelle nicht vorstellbar. Gleichermaßen gilt: Die Gleichstellungsstelle ist nicht allein verantwortlich für die Realisierung von Gleichstellung. So sieht es die „Ordnung zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Evangelischen Kirche der Pfalz (Prot. Landeskirche)“ vor. Deshalb ist Vernetzung so wichtig. Die gegenseitige Information; der Austausch zwischen der Gleichstellungsstelle und den Haupt- und Ehrenamtlichen. Ein Gleichstellungsblick aller Menschen ist von Nöten.
Ja, wir brauchen diese Arbeit noch: Gleichstellung ist weder in unserer Landeskirche, noch in unserer Gesellschaft, noch weltweit erreicht. Gerade die Corona-Krise hat deutlich gemacht, wie schnell es gehen kann, dass alte, längst überwunden geglaubte Rollenverteilungen an der Tagesordnung sind. Diese Krise, die ja noch lange nicht überwunden ist, hat aber auch auf andere Weise den Finger in die Wunde fehlender Gleichstellung gelegt. Doch zunächst ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Gleichstellungsstelle: Die Gleichstellungstelle ist aus der Arbeit der Projektgruppe „Frauen in der Kirche“ (1991-1994) hervorgegangen, die von der Landessynode eingerichtet wurde. Angeregt hatten dies Frauen aus der Pfalz nach einem Besuch beim Ökumenischen Rat der Kirchen, der von 1988 bis 1998 die Dekade „Solidarität der Kirchen mit den Frauen“ ausgerufen hatte. Am 3. Mai 1994 war es soweit: die Errichtung der Gleichstellungsstelle wurde durch die Landessynode beschlossen.
Die erste Ordnung trat am 1. Januar 1994 in Kraft, am 1. August 1995 nahm die Gleichstellungsstelle ihre Arbeit auf. Stelleninhaber*innen und Mitarbeiter*innen:
Erste theologische Referentin wurde die viel zu früh verstorbene Pfarrerin Petra VollweilerFreyer. In diesem Zusammenhang begrüße ich sehr herzlich die Eltern von Petra, ihre Tochter Lisa mit ihrem Ehemann und ihre Enkeltochter Fiena. Frau Bettina Wilhelm wird als juristische Referentin und Frau Annerose Schäffer als erste Verwaltungsangestellte mit diesem Aufgabenbereich betraut. Die Arbeit dieser drei Frauen wurde zunächst nicht überall akzeptiert. Und zum Teil ist es auch heute noch so, dass Anregungen und Themen der Gleichstellungsstelle auf Widerstand und Unverständnis stoßen. Durchhaltevermögen wird deshalb seit 25 Jahren trainiert und bleibt nach wie vor notwendig.
Am 1. August 2000 wurde Pfarrerin Claudia Enders-Götzelmann die zweite theologische Referentin der Gleichstellungsstelle; am 1. Februar 2001 schließlich trat Herr Gerd Humbert als erster Mann in die Gleichstellungsarbeit ein. Er wurde vielfach als Exot angesehen und manchmal auch belächelt. Aber das Genderteam wurde sichtbares Zeichen des Auftrags, sich umfassend für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Vieles wurde in den darauf folgenden zehn Jahren von den beiden geleistet. Zahllose Impulse in die Landessynode und in die Kirchenbezirke und Kirchengemeinden hinein vermittelt.
In der Verwaltung gab es einen Wechsel hin zu Frau Birgit Dias Fontao, danach zu Frau Renate Wittmann, später wiederum zu Frau Dias Fontao, die bis heute für die Sachbearbeitung und Organisation zuständig ist. Frau Elisa Wirtz und Frau Esther Nickel waren ebenfalls zeitweise für die Gleichstellungsstelle tätig. Im Februar 2008 schied Frau Pfarrerin Enders-Götzelmann aus der Arbeit der Gleichstellungsstelle aus.
Am 1. Oktober 2008 wurde Frau Pfarrerin Belinda Spitz-Jöst ihre Nachfolgerin. Herr Humbert wechselte zum Oktober 2014 auf eigenen Wunsch hin ganz zur Männerarbeit, für die er schon seit 2008 mit einem Teilauftrag tätig war. Die zuständige juristische Referentin ist bis heute Frau Bettina Wilhelm. 2014 beschloss die Landessynode, den Dienstleistungscharakter der Gleichstellungsstelle umzuwandeln in eine feste Stelle im Landeskirchenrat mit einem Stellenanteil von 75 %. So wurde sie zum 1. Juli 2016 mit der bisherigen Inhaberin, Frau Pfarrerin Spitz-Jöst, besetzt. Sie übernahm zusätzlich die Geschäftsführung für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie im Bereich des Landesarbeitskreises Pfalz e.V. Im Sommer 2018 wechselte sie dann auf eine Schulpfarrstelle in Germersheim. Ihr folgte ab 1. Oktober 2018 Frau Diplom-Religionspädagogin Annette Heinemeyer. Sie hat ebenfalls die Geschäftsführung für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie übernommen. Themen aus 25 Jahren Gleichstellungsarbeit Manche Themen sind in diesen 25 Jahren konstant geblieben.
So erhalten die ersten Vorlagen zur Einrichtung von Telearbeit und Homeoffice aus den 1990er Jahren gegenwärtig neue Aktualität. Die Corona-Krise hat uns die Möglichkeiten und Chancen dieser Arbeitsweise deutlich vor Augen geführt und dies nicht nur im Landeskirchenrat, sondern auch in anderen Feldern kirchlicher Arbeit. Der in den 1990er Jahren noch neue Blick auf die Telearbeit als Möglichkeit, Familie und Beruf besser zu vereinbaren, kann heute erweitert werden: Telearbeit und Homeoffice sind auch – unabhängig von konkreten schwierigen familiären Situationen – eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen „in-house“-Tätigkeit.
Vor fünf Jahren, zum 20-jährigen Jubiläum der Gleichstellungsstelle, wurden folgende Zukunftsaufgaben benannt: Geschlechtergerechtigkeit? Familienfragen? Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in all seinen Facetten? Die Vernetzung von Theologie und Praxis unter dem Gesichtspunkt der Geschlechter- und Altersgerechtigkeit? Neue strukturelle Herausforderungen durch veränderte Arbeitswelten? Die generelle Umsetzung von Gender-Mainstreaming? Die Weiterentwicklung einer inklusiven Sprache? sowie die Förderung von Frauen.
Erledigt ist keines dieser Themenfelder, aber hier und da hat sich inzwischen doch einiges zum Guten entwickelt: Im Landeskirchenrat haben wir im Kollegium zur Zeit eine paritätische Besetzung von Frauen und Männern. Für die bevorstehenden Wahlen meiner Nachfolge haben sich zwei Frauen und ein Mann zur Verfügung gestellt. Auch für die Nachfolge von Herrn Oberkirchenrat Lutz stehen sowohl Frauen als auch Männer zur Verfügung. Auch nimmt die Zahl der Pfarrerinnen in unserer Landeskirche stetig zu, zur Zeit stellen sie über 40 % des theologischen Personals. Spannend werden die Kirchenwahlen am 1. Advent – und zwar nicht nur im Hinblick auf die Verteilung von Frauen und Männern. Nach den letzten Wahlen waren in den Presbyterien 60 % Frauen und 40 % Männer. Dieses Verhältnis setzte sich aber leider nicht bis in die Landessynode hinein fort.
Mit dem Geschlechterverhältnis in der gegenwärtigen Landessynode können wir nicht zufrieden sein: Frauen stellen hier nur ein Drittel aller Synodalen. Auch die Anzahl von Dekaninnen sinkt kontinuierlich und die Leitung der Gesamtkirchlichen Dienste ist fast ausschließlich in männlicher Hand. Die inklusive Sprache hat sich erfreulicherweise durchgesetzt, wenn auch über die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung nach wie vor unterschiedliche Auffassungen bestehen. Wichtig ist, dass immer wieder Ausdrucksformen gewählt werden, die die Vielfalt von Menschen auch verbal deutlich machen.
Zukünftige Themen und Herausforderungen? Für die Zukunft steht intern die Auseinandersetzung mit einem erweiterten Gleichstellungsbegriff an. Dazu werden wir nachher auch Impulse von Frau Dr. Bergmann erhalten in ihrem Vortrag mit dem Titel: „Diversity schluckt Gleichstellung – oder doch nicht?“ ? Weiterhin aktuell bleibt die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt. Dies wird uns gerade in Zeiten von Strukturveränderungen und rückläufigen Zahlen von Hauptamtlichen (sowohl im theologischen als auch im pädagogischen Bereich) beschäftigen müssen. Auch die Corona-Krise mit ihren Herausforderungen in Familien hinsichtlich der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf hat dieses Thema – auf neue Weise – virulent werden lassen. Gleichstellungsthemen in der Gesellschaft sind auch Gleichstellungsthemen, die wir als Kirche im Blick behalten.
Exemplarisch möchte ich Folgende nennen: Immer noch viel zu viele Frauen sind in ihren eigenen vier Wänden nicht sicher vor häuslicher Gewalt. Immer noch gibt es viel zu viele Opfer sexualisierter Gewalt, insbesondere von Mädchen, aber auch von Jungen. Als Landeskirche versuchen wir mit der Umsetzung des „Gesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ so viel Prävention wie möglich zu erreichen. Auch droht die Gefahr einer Rückkehr zu alten, überholten Rollenbildern. Verschiedene Studien der vergangenen „Corona-Monate“ zeigen hier ein differenziertes Bild.
Einerseits gibt es Anzeichen, dass mehr Männer care-Arbeit übernehmen (insbesondere dann, wenn Mütter in systemrelevanten Berufen arbeiten), andererseits verstärken sich alte Rollenaufteilungen dort, wo Frauen weniger verdienen und nur in Teilzeit arbeiten. Und das betrifft immer noch die Mehrheit aller Frauen, auch im kirchlichen Bereich. Denn: so gennante. „Frauenberufe“ sind immer noch schlechter bezahlt, als Berufe in Technik und Wirtschaft, auch wenn sie mittlerweile als systemrelevant deutlicher sichtbar sind.
Frauen leisten immer noch mehr unbezahlte Arbeit als Männer; im Alter sind sie häufig von Armut bedroht. Auch wir als Arbeitgeberin „Kirche“ sind an dieser Stelle herausgefordert, unsere Stimme zu erheben und auch selbst geschlechtersensible Entscheidungen zu treffen.
Ich komme zum Schluss:
25 Jahre Gleichstellungsarbeit in der Landeskirche waren notwendig. Sie geht uns alle an und ist von uns allen weiterzutragen. 6 Vor allem braucht sie einen diversitäts-sensiblen Blick von uns allen. Heute feiern wir das 25-jährige Jubiläum der Gleichstellungsstelle. Und schauen mit Spannung und Entschlossenheit auf die bevorstehenden Jahre. Ich wünsche Ihnen allen von Herzen Gutes und in allem Gottes reichen Segen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!